Theologie

Monika Szarek: Ehe und Askese – Familienethos bei Paulus und Musonius (Rezension)

Hans-Joachim Hahn · 
08.08.2017

Zusammenfassung und Rezension zu: Monika Szarek: Ehe und Askese – Familienethos bei Paulus und Musonius (LIT Verlag)

Ihre Untersuchung über Ehe und Askese bei Paulus und Musonius beginnt Monika Szarek bei deren Wurzeln: dem Alten Testament der Bibel und der hellenistisch-römischen Antike.

Dabei sieht sie in Genesis 1-3 als wegweisende Aussage, „dass die Hebräische Bibel einen ganzheitlichen Blick auf die Sexualität – wie auch auf den Menschen als Einheit von Leib und Seele – hatte.“ (21) Das wird ersichtlich an dem am häufigsten für den Geschlechtsverkehr gebrauchten hebräischen Wort (z. B. 4,1), welches bedeutet: „erkennen“, „umfassendes Verstehen des Gegenüber“ (21). Mann und Frau sind als ebenbürtige Partner im Ebenbild ihres Schöpfers gestaltet und haben den gemeinsamen Auftrag, die Erde zu beherrschen und zu gestalten.

Von diesem Startpunkt ausgehend stützt die Abhandlung vom Sündenfall in Genesis 3 nicht das Patriarchat – wie weithin angenommen –, vielmehr wird es „als eine der Strafen Gottes eingeführt. Folglich ist das Patriarchat Ausdruck des (durch den Sündenfall) getrübten Gottesverhältnisses. (21) Weil Gott die Menschen aber nicht aufgegeben hat, sondern ihnen trotz aller Strafen hilft, „behalten die Gottesebenbildlichkeit beider Menschen und der an beide ergangene Herrschaftsauftrag ihre Gültigkeit.“ (21).

Die Existenz erotischer Texte ohne die besondere Erwähnung von Kindern (wie etwa Prov.5,18ff, worin dem Mann geraten wird, sich an seiner Frau zu erfreuen, oder das Hohelied der Liebe) sind eindeutige Belege dafür, dass bereits im alten Testament Ehe und Sexualität keinesfalls nur dem Zweck der Kinderzeugung dienten. Gleichzeitig wurde die Sexualität klar auf die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau begrenzt; die Ehe steht unter JHWHs besonderem Schutz, daher wird der Ehebruch mit Strafen geahndet. Bei Unfruchtbarkeit der Ehefrau war es jedoch legitim, dem Mann zum Kinderzeugen die Sklavin zuzuführen (vgl. Sarah und Abraham).

In ihrer metaphorischen Darstellung des Verhältnisses zwischen JHWH und Israel erhält die Ehe sogar eine eschatologische Dimension (z. B. in Hos 1,2-9 oder Ez. 16).

Im antiken Griechenland und Rom dagegen herrschte ein anderes Familienverständnis: In Griechenland gehörten die Sklaven als Familienmitglieder mit zum „Haus“, dessen Fundament allerdings die Einehe zwischen Mann und Frau bildete. Auch in Rom umfasste der Begriff familia die Personen, die sich unter der Macht des pater familias befanden: Ehefrau, Töchter, Söhne und deren Frauen und die Sklaven sowie der gesamte Besitz der Gemeinschaft.

Weder in Griechenland noch in Rom besaß die Kindheit einen besonderen Status, sondern sie wurde als „Vorstufe zum Menschsein“ (35) verstanden. Wurde den Frauen in großer Strenge die eheliche Treue und Keuschheit auferlegt, so durften die Männer ohne Weiteres zu Prostituierten gehen oder sich von Hetären begleiten lassen. Dabei wurde der Verkehr mit Prostituierten auch als eine Art Empfängnisverhütung betrachtet, weil er die eigene Ehefrau von unerwünschten Schwangerschaften verschonte – so das griechische Verständnis. Die Praxis, unerwünschte Kinder (vor allem Mädchen) auszusetzen, war im antiken Griechenland und Rom weit verbreitet; „Ihr Schicksal als spätere Prostituierte war dann vielfach besiegelt.“ (39)

Im Lauf der vorchristlichen Jahrhunderte stellt Szarek eine wachsende Zurückhaltung und gesteigertes Misstrauen gegenüber der Sexualität fest, die aus der „Sorge um sich selbst“ bis zur völligen Enthaltsamkeit ging: „Statt Prostitution und gleichgeschlechtlichen Beziehungen wurde die Jungfräulichkeit zum `choix´, zum `style de vie´ “, zitiert sie den Archäologen Michel Foucault (40).

In der Ehe zwischen Mann und Frau hielt der griechische Philosoph Plutarch die Freundschaft (filia) für ein wesentliches Merkmal der Liebe, war damit jedoch nicht unwidersprochen: andere Zeitgenossen hielten die Knabenliebe für den geeigneteren Rahmen für die filia. Schließlich setzte sich aber doch die Überzeugung durch, dass Eros am besten in der heterosexuellen Ehe realisiert werden könne (41); dies begründet Plutarch ausführlich im Amatorius. Anlässlich der Heirat seiner beiden Schüler Pollianos und Eurydike schrieb er einen beachtenswerten Eheratgeber. Trotz aller Freundschaft bleibt bei Plutarch die Frau jedoch „Aushängeschild des Mannes“; sie soll zu seiner Ehre da sein und sich total auf ihn einstellen. (23)

Gegen die Prostitution – er hätte am liebsten den Beruf des Bordellwirtes abgeschafft – und gegen den Menschenhandel mit aus Kriegen erbeuteten Frauen wendet sich der Musonius-Schüler Dion Chrysostomos mit aller Entschiedenheit. Er stuft die Prostitution weit unter den Handel mit Pferden und Eseln ein, denn diese würden einander zur freiwilligen Paarung gelassen. Im Falle der Prostitution würden jedoch „geile, ausschweifende Menschen mit Scham empfindenden und widerstrebenden Menschen in einer erfolglosen und unfruchtbaren Vereinigung der Leiber, die eher der Zerstörung als der Schöpfung neuen Lebens dient“ sich paaren gelassen (49) – Unsere heutige Debatte über Menschenhandel und Human Trafficking hat darin offenbar ihre Vorläufer. So vertritt Dion vehement die Liebesheirat, auch wenn die Hauptsumme seiner Schriften sich gegen die außereheliche Sexualität und die maßlose sexuelle Lust richten (50).

Nach ihrer Untersuchung der Stoiker betrachtet Szarek auch die Bedeutung von Familie und Sexualität im Frühjudentum. Vor allem erwähnenswert erscheint dabei Philo von Alexandrien (15 v. – ca. 50 n. Chr.), einer der einflussreichsten Philosophen und Exegeten des antiken Judentums. „Er hatte es sich zur Aufgabe gesetzt, die griechische Philosophie und die jüdische Tradition in Einklang zu bringen, um den Prozess der Hellenisierung in den jüdischen Diasporagemeinden einzugrenzen.“ (70)

Er nimmt die Gebote der Torah bezüglich der Sexualität auf: Ehebruch gilt dort als schlimmstes Vergehen, daher dient der Bericht von Josephs Verweigerung des Beischlafs gegenüber den Verführungskünsten von Potifars Ehefrau für ihn als beispielhaftes Verhalten in der jüdischen Tradition (71). In der von der Torah erhobenen Forderung, dass Mann und Frau gleichermaßen jungfräulich die Ehe eingehen sollen – ein Kontrast zur übrigen Antike – „schimmert jedoch nur auf den ersten Blick Gleichberechtigung durch“: In Philos weiteren Aussagen wird der Mann deutlich über die Frau erhoben; sie „erscheint bei ihm als intellektuell und physisch unterlegen, sexuell weniger beteiligt und als weniger in der Lage, ihre Leidenschaften zu kontrollieren,…“(73)

Jesus betrachtet die Ehe als gottgewollte Schöpfungsordnung; er radikalisiert sogar „die jüdische Haltung, indem er im Namen Gottes deren (der Ehe) Unauflöslichkeit fordert“ (74): Mit seiner Erklärung: „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden“ (Mt.19,6) geht Jesus eindeutig über den hebräischen Text hinaus. Sozial gesehen kann das Scheidungsverbot auch als ein Schutz der rechtlosen Frau angesehen werden.

Wie bei der Ehe verschärft Jesus den Begriff der Unzucht (porneia) mit der Aussage, bereits das Begehren einer fremden Frau sei Sünde (nicht erst der Vollzug der Unzucht; somit sieht er im Begehren einen Verstoß gegen das 10. Gebot). Da ein möglicher Ehebruch bereits im Herzen unterbunden werden kann, fordert Jesus von den Männern die Beherrschung ihrer Affekte. Dies rückt ihn in die Nähe der stoischen Affektenlehre (74).

Im gesamten Verhalten Jesu wie auch in seinen Reden ist eine deutliche Aufwertung der Frau festzustellen: Er begegnet Männern mit strengen Forderungen und schützt die Frauen (vgl. den Umgang mit der frisch ertappten Ehebrecherin in Joh.8,1-11).

Diese Tendenz, die Frau aus der bis dato androzentrischen und patriarchalisch organisierten Welt heraus zu befreien, ist auch bei Jesu Anhängern und den neutestamentlichen Autoren zu beobachten (75).

Insgesamt lässt sich also bei der Auswertung des Befundes zur Sexualität sowohl bei Juden als auch bei Nicht-Juden eine wachsende Tendenz zur Monogamie und der Ablehnung außerehelicher Sexualbeziehungen feststellen; wenn auch ganz unterschiedliche Motivationen der Auslöser dafür waren.

Paulus´ Sicht der Ehe als ein Charisma (1. Kor.7,7) einerseits und als Einrichtung zur Vermeidung von Unzucht andererseits (1. Kor. 7,1.2) hat in der Folge dann auch zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen geführt: Zum einen die Befürwortung der Ehe als höchste Bestimmung des Menschseins; zum anderen die völlige Askese – sexualitätsablehnend und Jungfräulichkeit propagierend – die zur Entstehung der monastischen Kultur im 4. Jh. n. Chr. führte.

Dies ist offenbar zurückzuführen auf die teils widersprüchlich erscheinenden Aussagen von Paulus in seinen Briefen an konkrete Gemeinden in konkretem Umfeld: Besonders in Korinth bestand durch die laxe Einstellung der hellenistischen Kultur zum außerehelichen Geschlechtsverkehr und dem ausgeprägten Dirnenwesen der Hafenstadt ein starker Libertinismus, der auch auf die Gemeinde übergegriffen hatte.

Paulus beschreibt hier die Ehe als den einzigen Weg, um Unzucht zu vermeiden, da sie den einzigen, gottgegebenen Rahmen für den Geschlechtsverkehr bietet. Seine Ausführungen in 1.Kor. 7 könnten bei isolierter Betrachtung die Ehe zum notwendigen Übel abwerten, dass man am besten meidet, indem man – wie Paulus – im Stand des Zölibates lebt, um den Herrn ungehindert zur Verfügung zu stehen. Da diese Gnadengabe jedoch nicht allen gegeben ist, sollen die, welche sexuelles Verlangen haben, heiraten.

Die Lehrer der Stoa gehen im vergleichbaren Kontext sogar so weit, dass sie die Affekte vollkommen, bis zur Apathie ausrotten möchten. Dieser Weg kommt für Paulus jedoch nicht in Frage: Als Nachfolger Christi kennt er die Wirklichkeit des innewohnenden Heiligen Geistes, der Menschen verwandelt und befähigt, nicht nach ihren Begierden, sondern nach dem Geist zu leben (Gal.5,16-25). Aufgrund der Taufe gehören sie nicht mehr sich selbst, sondern Gott; ihr Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes; sie haben ihr Fleisch mit Christus gekreuzigt und können jetzt in einer neuen Gesinnung gottgefällig leben. Diese Ebene kennt der Stoiker Musonius nicht; er appelliert an Vernunft und Willenskraft, aus der heraus der Mensch Selbstbeherrschung praktizieren soll. Bei seinem Schüler Epiktet hingegen (55-135 n. Chr.) sind ähnliche Gedanken wie bei Paulus zu finden. Er geht davon aus, dass der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, bezeichnet ihn sogar als „Sohn Gottes“, der ein Teil von Gott in sich hat. „Dieser Abstammung soll der Mensch sich bewusst sein, und sie soll sein Verhalten bestimmen, denn alles, was er tut,… tut er Gott an.“(196)

Doch auch Epiktet kann nur an Vernunft und Willenskraft appellieren.

Musonius lehnt aus moralischen Gründen selbst den Geschlechtsverkehr eines Herrn mit seiner Sklavin ab (198): Er zeuge von mangelnder Selbstbeherrschung. Seine konsequente Ablehnung außerehelicher Sexualität trifft den Mann besonders hart, „da sie von ihm auf einmal genauso eheliche Treue verlangt wie von der Frau.“(199)

Wenn Paulus an die Korinther schreibt, dass der, der mit einer Hure verkehrt, ein Leib mit ihr wird, verwendet er nicht den abwertenden Begriff „Fleisch“, sondern das gleiche Wort, das er für die Vereinigung des Gläubigen mit Christus verwendet. Daher ist ein solcher Verkehr völlig abzulehnen: Er ist eine schwerwiegende Entehrung des Menschen und seiner Bestimmung. Indirekt gibt er damit dem Vollzug der Sexualität einen äußerst hohen Stellenwert: Vgl. Röm 7,3ff; hier parallelisiert er „die lebenslängliche eheliche Bindung zwischen Mann und Frau mit der durch den Tod und die Auferstehung Jesu zwischen ihm und den Menschen entstandenen Beziehung. Sowohl für Röm 7,2ff, als auch für 1.Kor.6,12-20 gilt: (1) Wie in einer Ehe stellt die Beziehung zu Christus eine persönliche Beziehung dar, (2) wie in einer Ehe ist die Beziehung zwischen Christus und dem Gläubigen auch eine – im übertragenen Sinn – körperliche Beziehung, und es sind der Tod und die Auferstehung Christi, die sie ermöglichen, (3) wie in einer Ehe sind die beiden Beziehungspartner jeweils auf den anderen und nicht auf sich selbst ausgerichtet, (4) wie die Ehe trägt auch die Beziehung zu Christus exklusiven Charakter und (5) wie die eheliche Beziehung bringt auch die Beziehung zu Christus Früchte (1.Kor 7,32.34).“ (195-196)

Weil Paulus an konkrete Gemeinden in unterschiedlichen Situationen in konkretem historischen Kontext schreibt, muss er konkrete Fälle ansprechen, um Lösungen ringen, Häuser und Kulturen zusammenhalten und Einzelnen gerecht werden. Daraus erklären sich auch die scheinbaren Widersprüchlichkeiten innerhalb seiner Argumentation. Aber gerade darin gewinnt er die Freiheit in Christus, der es nicht um die Einhaltung von Gesetzen geht, sondern um den Weg der Liebe und die Hingabe an Christus als Herrn und an die Gemeinde.

Homosexuelle Beziehungen unter Männern stehen für Musonius auf der gleichen Ebene wie Ehebruch. (Solche Beziehungen bei Frauen werden bei ihm nicht thematisiert, da für sie außerehelicher Geschlechtsverkehr ohnehin verboten ist.) Sein erster Grund ist, dass sie außerhalb der Ehe und nicht zum Zweck der Kinderzeugung praktiziert werden, sondern nur der puren Lusterfüllung dienen; sein zweiter, dass dabei „einer der Partner gezwungen ist, eine Rolle zu übernehmen, die ihm eigentlich nicht zusteht, nämlich die des anderen Geschlechts.“ (201) Aus Epiktets Sicht verlieren sogar beide Sexualpartner ihr Mann-Sein. Über seinen Lehrer Musonius hinausgehend verurteilt er „gerade den aktiven Partner, der sich den anderen verfügbar macht“;… „neben seiner Eigenschaft, ein Mann zu sein, verliere er noch viele andere Dinge (z. B. seine Integrität).“(201)

Auch Paulus benutzt bei seiner Ablehnung der Homosexualität eine vergleichbare Argumentation, die er außerdem noch stärker in dem unterschiedlichen Geschaffensein von Mann und Frau begründet; er steht somit in der Kontinuität zur jüdischen Tradition.

In ihrem Schlusskapitel betont Szarek überzeugend die große Übereinstimmung beider Richtungen, der Stoa und der Lehre des Christentums in Bezug auf ein hohes Ideal bzw. Norm der Ehebeziehung und der Askese. Auch wenn sie teilweise aus unterschiedlicher Begründung argumentieren, stehen sie doch gleicherweise im Kontrast zur Entwicklung ihrer zeitgenössischen Gesellschaft.

Weniger überzeugend wirkt Szareks Versuch, diese schöpfungsmäßig und eschatologisch begründete Ausschließlichkeit der Mann-Frau-Ehe als Rahmen für praktizierte Sexualität auf die Ebene der „sexuellen Vielfalt“ herabzubeugen. Sie bemüht dafür den „paulinischen Freiheitsgedanken“(218). Ihr Argument der mangelnden „Übertragbarkeit der paulinischen Normen in die heutige Zeit“(219) erscheint sehr brüchig beim Blick auf die von ihr selbst herausgearbeitete Begründung dieser Normen:

Es sind die schöpfungsmäßig-biologischen Unterschiede von Mann und Frau (*) sowie die durch Tod und Auferstehung Jesu gestiftete Beziehung zwischen dem Gläubigen und Christus (s. o. S.4).

Was hat sich daran seit dem 1. Jh. geändert? Hier erweckt Monika Szarek den Eindruck, dass sie entgegen der starken Beweislast ihrer Ausarbeitungen sich dem politischen Druck der wissenschaftlich sehr fragwürdigen Gender-Studies beugt, die über Behörden und Verwaltungsstrukturen einen zunehmenden Druck auf Forscher und Lehrende im Universitätsraum ausüben.

Im Vergleich der beiden Ansätze (Paulus und Stoa) kommt Szarek zu dem Ergebnis, dass es sich bei den philosophischen Schriften und Lehren der Stoiker um Diskurse „der Elite für die Elite“ (S.9) handelt; wohingegen Paulus sich in seinen Briefen an konkrete christliche Gemeinden eher an Menschen unterer Schichten wendet und so diejenigen zu Wort kommen lässt, „die sonst stumm geblieben wären.“ (9)

Hierin mag ein Grund gelegen haben, dass die moralisch hochstehenden und vernünftigen Lehren der Stoiker in ihrer von zunehmender sexueller Ausschweifung geprägten Zeit so wenig Anklang fanden und keine kulturelle Kursänderung bewirken konnten. Die Schriften des zeitgenössischen Satirikers Juvenal sowie die noch erhaltenen Wandgemälde im untergegangenen Pompei und anderorts zeichnen ein deutliches Bild einer von sexueller Perversion geprägten Gesellschaft, die ihre eigenen Grundlagen zerstörte.

Vielleicht übte die christliche Gemeinde mit ihrem unzerstörbaren Glauben an die Offenbarung der Kraft Gottes zur Sündenvergebung, Heilung und Erneuerung doch eine stärkere Anziehung auf die Menschen aus als eine philosophische Lehre, die nur an Vernunft und Willenskraft appellierte. Sie ging jedenfalls als neue kulturgestaltende Kraft aus dem Untergang des römischen Reiches hervor und eröffnete ein neues Zeitalter der Menschenwürde und Freiheit, der Bildung für alle, der Wissenschaft und des technischen und wirtschaftlichen Fortschrittes.

Vielleicht können wir diese Offenbarung und Kraft in unserer Zeitepoche, die ihre eigenen Grundlagen zunehmend in Frage stellt und zu zerstören im Begriff ist, neu entdecken.

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(*) und nicht etwa „eine kulturelle Norm“, die Paulus auf die Ebene von „natürlichen“ und damit biologischen Prinzipien hebt, wie es ihr Gewährsmann Robert Jewett in seinem Kommentar zum Römerbrief ausführt. Durch diesen Vorwurf an die paulinische Argumentation entkräftet Jewett deren heute mögliche Relevanz: „Das Prinzip müsste heute wahrscheinlich anders formuliert werden“ (meine Übersetzung, S.219) ist das Zitat von Jewett, mit dem Szarek ihre Arbeit beendet.

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