Wirtschaftswissenschaften

Die 7 Erfolgswerte der christlich-abendländischen Kultur (4)

Hans-Joachim Hahn · 
27.02.2012

Der Krieg um die Nachhaltigkeit

Nicht erst seit der Ökobewegung ist Nachhaltigkeit ein Wert, der das christliche Abendland prägt. Der gegenwärtige Modetrend Nachhaltigkeit läuft jedoch Gefahr, diesen Wert auf ein extrem verkürztes Spektrum zu reduzieren: gefährdete Tiere und Pflanzen werden geschützt, ungewünschte Kinder jedoch zu 100-tausenden abgetrieben – mit katastrophalen Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung und die Psyche der betroffenen Frauen. In seinen Vorträgen weist der Freiburger Rentenexperte Prof. Bernd Raffelhüschen darauf hin, dass wir in den letzten 30 Jahren mehr Kinder durch Abtreibungen getötet haben als wir im gesamten 2. Weltkrieg an Toten zu beklagen hatten. Eine überalterte Gesellschaft und der Zusammenbruch des Renten- und Generationenvertrages sind die unausweichlichen Folgen.

Auch im Umgang mit Finanzen haben wir die Nachhaltigkeit verlassen und sind mit der ökonomischen Schule von John Maynard Keynes der kurzfristigen Befriedigung verfallen. Keynes empfahl die Staatsverschuldung zur Ankurbelung der Wirtschaft. Als er gefragt wurde, wer die Schuldenberge langfristig abtragen sollte, antwortete er: „Die lange Sicht ist ein schlechter Führer in Bezug auf die laufenden Dinge. Auf lange Sicht sind wir alle tot.“

Das Denken in Generationen prägte dagegen wesentlich die jüdische Kultur, die durch das Alte Testament einen starken Einfluss auf das heutige Europa ausgeübt hat. Ein kluger Mann baut ein Haus für seine Kindeskinder.[1] Ihr Gott ist ein Gott der Generationen (Abrahams, Isaaks und Jakobs), der langfristige Segensverheißungen in die Zukunft ausspricht, und die Menschen als Haushalter über seine Schöpfung einsetzt. Die jüdischen Regeln für den Umgang mit Arbeit und Land sprechen dafür eine deutliche Sprache: Das Sabbatgebot weist die Arbeit klar in die Schranken: Sie ist kein Selbstzweck, sondern wird begrenzt, damit sie den Menschen nicht auffrisst. Am Sabbat ruhte Gott von seinen Werken.[2] Die Ruhe dient zur Regeneration, erhält langfristig die Arbeitskraft, begrenzt den Einfluss der Arbeit auf das Leben. Der dafür institutionalisierte Tag gibt der Gemeinschaft Raum zur Pflege der Beziehungen und auch der gemeinsamen Werte und Überzeugungen durch den Gottesdienst. Der siebente Tag als Ruhetag wird auch als Sabbatjahr dem Boden gegönnt, damit er sich erholen kann und nicht ausgelaugt wird. Alle 50 Jahre soll dann ein Jubeljahr stattfinden, in dem alle Schulden erlassen, die Knechte freigelassen werden und verpfändetes Eigentum zurück gegeben wird, damit keine Familie auf Dauer den Besitz verliert. Dies wurde zwar nicht oft eingehalten, aber es war vom Gesetz vorgeschrieben. Die Bewahrung und nicht die Ausbeutung der Schöpfung ist ein Leitwert abendländisch-christlicher Kultur.

Nachhaltigkeit in Beziehungen ist der Garant für das Fortbestehen einer Nation. Die Familie bietet dazu einen geschützten Rahmen für das gesunde Persönlichkeitswachstum junger Menschen. In seinem Vortrag: „Familie als Quelle des Wohlstandes in einer menschenwürdigen Gesellschaft“ prangert der Marburger Volkswirt Prof. Hans-Günter Krüsselberg an, dass in Öffentlichkeit und Politik die Aufarbeitung des fünften Familienberichts verweigert wird. Dessen Botschaft fasst Krüsselberg zusammen: „nur mit der erfolgreichen Humanvermögensbildung in Familie und Schule [wird] eine innovative und effiziente Wirtschaft und darüber hinaus eine dynamische, weltoffene Gesellschaft möglich. Gemeint ist, dass die berufliche Qualifikation der Bevölkerung, ihre sozialen und gesellschaftlichen Kompetenzen, ihr Gesundheitszustand und ihre Leistungsfähigkeit vor allem von der Verlässlichkeit der familiären Zuwendung und Erziehung abhängen. Allein auf deren Grundlage kann eine gute allgemeine und berufliche Bildung aufbauen.«[3]

Die christliche Tradition hat der Treue in der Familie und der Monogamie immer einen zentralen Stellenwert in der Orts- und Volksgemeinschaft eingeräumt, und davon war auch Deutschland während des Wiederaufbaus stark geprägt.[4] Die traditionelle Ehe und Familie werden vom gegenwärtigen Zeitgeist dagegen als veraltete Institutionen betrachtet.

Die Forschungsarbeiten des Britischen Anthropologen John D. Unwin (Zeitgenosse Freuds) brachten zu diesem Thema einige bedeutsame Tatsachen ans Licht. Leider hat die Öffentlichkeit die unbewiesenen Theorien von Sigmund Freud mit offenen Armen begrüßt; die unbequemen Fakten, die Unwin zutage förderte, jedoch von der Bühne gedrängt: Unwin untersuchte zu Beginn des 20. Jh. die Entwicklung von 80 primitiven und 16 zivilisierten Kulturen über einen Zeitraum von 5000 Jahren. Seine Studien enthüllten, dass in allen Fällen der Zusammenbruch der Nationen ein Resultat des Zusammenbruchs der Familieneinheiten in diesen Zivilisationen war. In allen Fällen brachen die Nationen innerhalb 1-3 Generation nach dem Zerfall der Familienstrukturen zusammen.[5] Diese Studie bietet empirisches Beweismaterial für die Bedeutung der Familie. Aus seinen Entdeckungen geht klar hervor, dass die Familie mit ihrer monogamen Orientierung und Beschränkung der Sexualität auf die Ehe die Grundlage der nationalen Entwicklung ist. Jede Nation, die eine stabile Grundlage für ihre Entwicklung haben möchte, muss daher in die Familie investieren, weil sie der Kern für Wachstum und Entwicklung ist.

1975 wurde in Deutschland die Pornographie freigegeben. Zum Entsetzen ihrer anfänglichen Befürworter führte die Freigabe bereits nach 15 Jahren zu einem starken Anstieg von klassischem Suchtverhalten, Realitätsverlust und Gewalt in der Sexualität. Alice Schwarzer und mit ihr große Teile der feministischen Bewegung bekämpfen heute das, was sie damals hervorgebracht haben. So schreibt Schwarzer über Mitscherlich, einen der Väter der sexuellen Revolution: „Alexander Mitscherlich hat 1975 in dem Hearing zur Sexualrechtsreform gesagt, er sei für mehr Freiheit, und er hoffe auf den Schock der aufklärenden Selbsthilfe der Bürger gegen den Schund. Ich möchte Alexander Mitscherlich, der nicht mehr lebt, nichts unterstellen, aber ich vermute, er würde zu den Menschen gehören, die heute die Hände über dem Kopf zusammenschlagen über die Entwicklung der letzten 13 Jahre, die die Liberalisierung des Porno-Paragraphen nicht verursacht, aber möglich gemacht hat.“[6] Auch die damalige Gesundheitsministerin Renate Schmidt, eine der Befürworterinnen der Freigabe, gestand 1990 ihre Fehleinschätzung öffentlich ein. Leider zu spät, denn der Dammbruch war nicht mehr rückgängig zu machen. Heute potenziert sich die Zerstörung von Beziehungen durch die Pornographie im Internet noch um ein Vielfaches.[7]

Diese Zersetzung der Familie wurde durch die neomarxistische Bewegung der 68er gezielt eingeleitet. Viele ihrer Anführer kämpfen heute in der Ökobewegung für Nachhaltigkeit im Umgang mit der Umwelt. Von einer Reue über die Zerstörung von Nachhaltigkeit, die sie in der Innenwelt angerichtet haben, ist wenig bis nichts zu hören. Offenbar sitzen sie nach wie vor dem alten kommunistischen Irrtum auf, dass zuerst die Außenwelt verändert werden müsse, ehe die Innenwelt sich ändern kann. Von vielen Seiten wird heute die Wirtschaftskrise beschworen. Vielleicht haben wir aber nicht eine Wirtschafts-, sondern eine Wertekrise. In Deutschland und Europa erleben wir sogar einen Wertekrieg. Es gibt starke Kräfte, die genau die Werte, die uns volkswirtschaftlich, sozial, kulturell und spirituell stark gemacht haben, zerstören möchten. Dieser Krieg um die nachhaltige Erhaltung unserer Lebensqualität muss geführt werden. Und er ist nur mit geistigen Waffen zu gewinnen, wie Paulus sie in seinem Brief an die Epheser beschreibt.[8] Es ist ein Kampf auf einer anderen Ebene, der Ebene des Geistes, des Charakters, der Werte und des Gebetes und nicht die der physischen Gewalt. In diesem Kampf müssen wir noch aktiver werden, Initiativen entwickeln und Bündnisse schließen.

Fußnoten

[1] Sprüche Salomos,13, 22 2 Vgl. 1. Mose 2,2

[2] Vgl. 1. Mose 2,2

[3] Hinrichs, Simon, Hahn (Hrg.): Familie wohin? 2008, S. 342

[4] vgl. Verfassung des Freistaates Bayern, Artikel S. 124-126

[5] John D. Unwin: Sex and Culture, London, Oxford University, 1934, S.411-412; 431-432. Link zum Originaltext: www.megaupload.com Link zur Zusammenfassung im Bulletin der OJC: www.dijg.de/fileadmin/dijg-uploads/pdf/bulletin_9_2005_unwin.pdf) 

[6] Schwarzer, Alice: Der Gesetzesentwurf von `EMMA ́. S. 181-1878, in: Dane, Eva; Schmidt, Renate (Hrsg): „Frauen und Männer und Pornographie“, Frankfurt, 1990, S. 181

[7] vgl.: Schirrmacher, Thomas: 35 Jahre danach – Das Comeback der Langzeitkernfamilie in der wissenschaftlichen Literatur, in: „Familie wohin?“ S.243-244

[8] Epheser 6,11-18

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